Andrea Riccardi, Johannes Paul II. Die Biografie, Würzburg (Echter Verlag) 2012, 720 Seiten, EUR 49,90   ISBN 978-3-429-03412-2

Zu Papst Johannes Paul II./Karol Wojtyla (1920-2005), der der Millenniumspapst war und bleiben wird, gibt es viele, teils noch zu Lebzeiten geschriebene Biographien und Bildbände unterschiedlichster Qualität. Am ausführlichsten und intensivsten widmete sich (in einer manchmal einseitig amerikanischen Perspektive) seinem in die Kirchen- und Weltgeschichte eingeschriebenen Leben und Wirken das zweibändige umfangreiche Werk von George Weigel („Zeuge der Hoffnung“, Paderborn 2002; „Der Papst der Freiheit“, Paderborn 2011). Nun legt der Echter Verlag (Würzburg) unter dem selbstbewusstem Titel „Johannes Paul II. Die Biografie“ eine über 700 Seiten umfassende Darstellung aus der Feder des italienischen Zeitgeschichtlers, Gründers der Gemeinschaft Sant’Egidio, Karlspreisträgers (2009) und seit kurzem Ministers im Kabinett Monti Andrea Riccardi (Jg. 1950) vor. Dieser stand in engem Kontakt mit Johannes Paul II. und hatte dabei zunächst keine biografischen Absichten, sondern war ihm mit seiner Gemeinschaft Sant’Egidio vor allem gedanklich und persönlich verbunden in der Fortführung der Impulse aus dem Friedensgebet der Religionen in Assisi von 1986. Für seine Biografie greift Riccardi neben der zeitgeschichtlichen Analyse auf eigene Begegnungen mit Johannes Paul II. zurück, auf Erinnerungen seines Sekretärs Kardinal Stanislaw Dziwisz (Krakau) und ein Gespräch mit dem langjährigen Gefährten und dann Nachfolger im Petrusamt, Papst Benedikt XVI. Dieser meinte: „Johannes Paul II. stammte aus einem leidgeprüften Volk, dem polnischen, das in seiner Geschichte harten Proben ausgesetzt war. Und gerade von diesem leidenden Volk ging, nach all den Verfolgungen, die Kraft der Hoffnung aus. Ich habe ihn leidend gesehen, aber nie traurig. Vom Beginn seines Pontifikates sprach er von einem neuen Advent. Er hoffte, dass sich im Lauf der Geschichte für das Christentum eine Zeit der Freude behaupten werde“ (11).

Diesem Eindruck seines Nachfolgers geht Riccardi in seiner Biografie nach und untermauert ihn durch spannend und verständlich geschriebene Schilderungen. Dabei ist ihm die „Komplexität“ der Person und des Umfeldes Karol Wojtylas von Beginn an bewusst. Die Herangehensweise ist offen für das „Geheimnis Wojtyla“ (17) und beschreibt mit interessanten Einzelheiten zunächst den kirchenhistorischen Schritt im Konklave 1978 zu einem nichtitalienischen Papst. Ausführlich werden dann die biografischen, familiären, kirchlichen und spirituellen Wurzeln Karol Wojtylas im Polen der Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit behandelt. Dazu gehörten die Bewegung des „lebendigen Rosenkranzes“, der Mystiker Jan Tyranowski und die Marienverehrung des Franzosen Grignion von Montfort. Der „New York Times“-Journalist Tad Szulc, selbst polnisch-jüdischer Herkunft, wird zitiert mit dem Satz: „Sein Polentum ist ein wesentliches Element seiner Persönlichkeit, in der sich Konservatismus und Modernität auf eine manchmal seltsam anmutende Weise mischen“ (49). Karol Wojtylas Jugend war überschattet vom allzu frühen Tod seiner Mutter, seines ihn sehr prägenden Vaters, eines ehemaligen k.u.k.-Offiziers, und seines Bruders. Seine Priesterberufung, die zunächst noch nicht eindeutig angestrebt wurde, erfuhr besondere Förderung durch den damaligen Krakauer Fürstbischof Adam Sapieha, der ihn auch zum Studium nach Rom entsandte.

Schon in der Schulzeit in seinem Geburtsort Wadowice war Wojtyla mit jüdischen Kommilitonen eng befreundet, war wie sein Vater frei von jedem auch im katholischen Polen grassierenden Antisemitismus. Mit dem „romantischen“ Dichter Adam Mickiewicz sah er in Israel den „älteren Bruder“ der polnischen Nation. Später erlebte er hautnah die Shoa. Bis an sein Lebensende verband ihn die Freundschaft mit seinem jüdischen Schulfreund Jerzy Kluger, dem er 2000 auch in Yad Vaschem begegnete. Riccardi schildert viele Einzelheiten und Hintergründe der Beziehung Johannes Pauls II. zum Judentum, so den Besuch in der römischen Synagoge 1986, die Anerkennung des Staates Israel 1993, den Besuch in Jerusalem im Heiligen Jahr 2000 mit der Vergebungsbitte für christlichen Antisemitismus an der Klagemauer. In seinem Testament erwähnt er außer seinem Sekretär namentlich nur den Rabbiner seiner Bischofsstadt Rom Elio Toaff (700). Kein Papst hat wie Wojtyla den Willen des Zweiten Vatikanischen Konzils nach einer Versöhnung von Christen und Juden so umgesetzt und unwiderruflich gemacht. Er intervenierte entscheidend beim Streit um das Karmel-Kloster in Auschwitz in den 1990er Jahren. Das alles hinderte ihn nicht, auch arabischen und islamischen Völkern sich zu öffnen und erstmals in Damaskus, kurz vor dem 11. September 2001, eine Moschee zu besuchen. Riccardi betont daher mehrmals, auch im europäischen und globalen Kontext, die bewusste „Theologie der Nationen“ Wojtylas, die ihn etwa auch einen Krieg zwischen Chile und Argentinien verhindern ließ, die ihn ohne Vereinnahmung mit einem Pinochet und Fidel Castro zusammenführte im Blick auf das längerfristihge Wohl der jeweiligen Völker. Allein Russland und China blieben aus unterschiedlichen Gründen ein weißer Fleck auf der Landkarte seiner zahlreichen Pastoralreisen, bei denen er sich nicht nur als Petrus-, sondern auch als evangelisierender Paulus-Nachfolger sah (654).  

Riccardi beschreibt Karol Wojtyla lebhaft als „polnischen Priester und Bischof“ (97-212) in der Zeit der kommunistischen Diktatur und als jemand, der dann dem Papsttum ein ganz neues Gesicht gab. Die zahlreichen Krisen seines langen Pontifikates sind wie ein Blick in die Zerrissenheit der Geschichten von Kirche und Welt: das Attentat vom 13. Mai 1981, das Kriegsrecht in Polen, der Falklandkrieg, der Streit um die lateinamerikanische Befreiungstheologie und die Ausbreitung der evangelikalen Sekten, der Kommunismus und seine Überwindung, das schreckliche Massaker in Ruanda, der grausame Jugoslawienkrieg, die sinnlosen Irak-Kriege und der fürchterliche Terroranschlag in New York. Der Wille zu Versöhnung und Friede, mit dem besonderen Zeichen des Gebetes der Religionen in Assisi, trieb Johannes Paul II. an und war seine adventliche Hoffnung auch für das Jubeljahr 2000 der Geburt Christi, „in dem sich alle Anliegen des Pontifikates bündelten“ (660).  Einen „Kampf der Kulturen“ wollte er um jeden Preis vermeiden. Innerkirchlich und ökumenisch blieb trotz (oder wegen) „charismatischer Herrschaft“ (615-674) manches unerledigt, gab es Enttäuschungen, Versäumnisse und Verletzungen, aber das große Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils hat der daran aktiv beteiligte polnische Papst bewahrt und gemehrt. Riccardi beschreibt ausführlich die verschiedenen Auseinandersetzungen (etwa mit Hans Küng und Erzbischof Lefebvre) um den Kurs der Kirche, hält aber fest: „Karol Wojtyla war kein konservativer Papst, und noch weniger ein Traditionalist“ (225), sein Programm auch für das 21. Jahrhundert war allein das Evangelium. Trotz seiner „Intransigenz“ (343) in vielen Fragen, stiegen seine Sympathiewerte weltweit. Vor allem war er ein Anwalt der Menschenrechte und des Menschen, seines Lebens und seiner Würde, wie im Schlusskapitel „Der Kampf für das Leben“ (675-706) auch im Blick auf die Armen und seinen die Welt beeindruckenden Tod betont wird. So kommt Andrea Riccardi nach all den historischen Schilderungen, die durch die Anteilnahme wie ein Blick ins zerrissene und durchbohrte Herz der Welt sein können, zum Fazit seiner Biografie: „Das war Johannes Paul II. wirklich: ein Mann, der sich nicht von der Geschichte beugen ließ, der die Hoffnung nie aufgegeben hat, sie zu verändern und zu überwinden“ (705). Seine Präsenz war global und sein Primat nicht nur kirchlich, sondern erstmals auch ein „realer Primat innerhalb aller Führer der Weltreligionen“ (584), der in Israel sogar eine Art „Sehnsucht nach einem Hohepriester“ (605) wahrnahm. Trotz des Umfangs ist Riccardis repräsentative und informative Wojtyla-Biografie leserfreundlich in Form, Aufbau und Schriftbild. Dazu trägt auch die Entscheidung bei, dem Band keine zu sehr auf das Äußere schauenden Bilder beizugeben. 

Stefan Hartmann, Oberhaid bei Bamberg 

(Freiburger Rundbrief, Heft 2 / 2013)

      

 

Besprechung eines Sammelbandes ("Klerusblatt" München, 3/2007):

 

Die Rezeption des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. (1978-2005), des zweitlängsten der Kirchengeschichte, ist erst angebrochen und wird sicher auch durch Akzentsetzungen seines Nachfolgers und engsten Mitarbeiters Benedikt XVI. mit beeinflusst. Der Linzer Priesterkreis hat seine internationale theologische Sommerakademie 2006 unter das Thema „Werk und Vermächtnis Papst Johannes Paul II.“ gestellt, um bei dieser großen Rezeptionsaufgabe Hilfestellung zu leisten. Ignaz Steinwender (Zell/St. Pölten) stellt unter vorwiegender Bezugnahme auf den Papstbiografen George Weigel („Zeuge der Hoffnung“, Paderborn 2002) zunächst die bewegende Lebensgeschichte Karol Wojtylas vor. In seiner Krakauer Diözese wurde fruchtbar um die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse gerungen. Es gab „einen wirklichen nachkonziliaren seelsorglichen Aufbruch“ (30) und „während im Westen der Dissens um ‚Humanae vitae’ aufbrach und die vom Neomarxismus forcierte sexuelle Revolution voll zum Durchbruch kam, wurde in Krakau in aller Stille das Gegenmittel zur Überwindung dieser Revolution entwickelt, nämlich die ‚Theologie des Leibes’ des künftigen Papstes“ (ebd.). Zu den ihn geistig prägenden Begegnungen gehörten vor allem der „karmelitische“ Laie Jan Tyranowski, sein ihn fördernder Erzbischof Adam Sapieha und die von ihm im Hl. Jahr 2000 heiliggesprochene Mystikerin der göttlichen Barmherzigkeit Sr. Faustyna Kowalskowa. Dem Schwerpunkt „Johannes Paul II. und die göttliche Barmherzigkeit“ widmet sich der kenntnisreiche Aufsatz von Gerhard B. Winkler (Wilhering). Peter Christoph Düren (Augsburg) präsentiert und charakterisiert in Kürze die 14 Enzykliken des Pontifikates mit Angabe kaum bekannter (weitgehend ausländischer) Sekundärliteratur. Es wird deutlich, wie wenig diese (etwa „Veritatis splendor“, „Evangelium vitae“, „Ecclesia de Eucharistia“) vor allem im deutschsprachigen Raum rezipiert und angenommen wurden. Der enge Vertraute des „Milleniumspapstes“, der Lemberger Erzbischof Marian Kardinal Jaworski, bietet einen Versuch einer anthropologischen Interpretation der Enzyklika „Fides et ratio“ (1998) aus der Sicht der Daseinsphilosophie. Der Sozialethiker Wolfgang Ockenfels OP (Trier) stellt die katholische Soziallehre Johannes Paul II. gerade auch in seiner Kritik der Befreiungstheologien als „Option für die Armen“ vor. Der Dogmatiker und Mariologe Anton Ziegenaus (Augsburg) widmet sich unter der Überschrift „Totus tuus“, dem Leitwort des polnischen Papstes, seiner marianischen Verkündigung und Lehre in Abhängigkeit von der Spiritualität des hl. Ludwig-Maria Grignion von Montfort: „Mariologie ist kein Randthema, sondern ein Brennpunkt. Das gilt für die Theologie allgemein und ebenso im Leben und Werk Johannes Pauls II.“ (204). Weihbischof Andreas Laun (Salzburg) schildert den Umgang des Wojtyla-Papstes mit den anderen Religionen unter den Oberaspekten Freiheit und Heilsnotwendigkeit des christlichen Glaubens. Ohne ihnen zuzustimmen, geht er dabei auch vornehm und frei von Polemik auf die Papstkritiker J. Dörmann und vor allem H.-L. Barth ein, die besonders am Gebet der Religionen in Assisi (Oktober 1986) Ärgernis nehmen, und stellt ihnen gegenüber die wahre und katholische Intention des Papstes heraus. Wenn man Einzeläußerungen des Papstes aus dem Kontext seiner Gesamtverkündigung isoliere, könne es Kritikwürdiges geben, aber es sei absurd, Johannes Paul II., der die Erklärung „Dominus Jesus“ veröffentlichen ließ, eine Allerlösungslehre oder ein in Assisi begangenes „Sakrileg“ vorzuwerfen. Laun zitiert daher auch bewusst die Worte Papst Benedikts XVI. vom 2. September 2006 zur zwanzigjährigen Wiederkehr der „kühnen und prophetischen Initiative“, die sicherlich missdeutbar, aber im rechten „sentire cum ecclesia“ nur als providentiell angesehen werden kann. Das sich trotz fundamentaler Kritik um Wertschätzung bemühende Buch Barths: „Papst Johannes Paul II. Santo subito? Ein kritischer Rückblick auf sein Pontifikat“ (Dettelbach 2007), ist von Laun in wohlwollender Sachlichkeit in mehreren Punkten widerlegt und in seinen Thesen letztlich für unhaltbar erklärt worden. Wer das II. Vatikanische Konzil grundsätzlich und pejorativ ablehnt, verfügt über keinerlei gerechte Hermeneutik zur Beurteilung des Pontifikates Papst Johannes Pauls II. Ob dieser einmal „der Große“ genannt werden wird und ob es seine baldige Seligsprechung geben wird, lassen die Aigener Vorträge bewusst offen. Zu einer kompetenten Würdigung des großen Papstes, vor allem im deutschsprachigen Raum, ist der Sammelband des Linzer Priesterkreises allerdings genauso unverzichtbar wie die intensive Lektüre seiner letzten eigenständigen Veröffentlichung, des Gesprächsbandes „Erinnerung und Identität“ (Augsburg 2005).

 

Franz Breid (Hrsg.), Werk und Vermächtnis - Papst Johannes Paul II. Referate der „Internationalen Theologischen Sommerakademie 2006“ des Linzer Priesterkreises in Aigen/M., Augsburg (Stella Maris Verlag) 2006, 239 Seiten, Euro 10,90

ISBN 3-934225-43-8

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Paul_II.

 

 

Andreas Englisch: Der Wunderpapst. Johannes Paul II., München (C. Bertelsmann) 2011, 271 Seiten; 17,99 Euro

Die Richtlinien der katholischen Kirche für Selig- und Heiligsprechungen verlangen nicht nur eine genaue Untersuchung des Lebens und Wirkens der betreffenden Person, sondern auch den Nachweis eines auf ihre Fürsprache geschehenen unerklärbaren Wunders, das als die übernatürliche  Bestätigung der Heiligkeit gewertet wird. Dies galt selbstverständlich auch für den am 1.Mai 2011, dem von ihm eingeführten Festtag der göttlichen Barmherzigkeit, selig gesprochenen Papst Johannes Paul II. (1920-2005), der wie keiner seiner Vorgänger Selig- und Heiligsprechungen gefördert und vorangetrieben hat. Andreas Englisch, der wohl bekannteste deutsche Vatikankorrespondent, journalistischer Begleiter und Biograph des Wojtyla-Papstes, hat nun unter dem Titel „Der Wunderpapst“ nicht nur die für seine Seligsprechung erforderliche wunderbare Heilung einer Ordensschwester von ihrer Parkinsonkrankheit (der Krankheit unter der Johannes Paul II. selbst jahrelang litt) geschildert, sondern ist vielen weiteren bisher zurückgehaltenen oder nur gerüchteweise weitergereichten wunderbaren Begebenheiten nachgegangen. Der Papst wollte nicht, wie er durch seinen Pressesprecher Joaquin Navarro-Valls dem Autor ausrichten ließ, dass zu seinen Lebzeiten darüber berichtet wird. Nun aber sieht Englisch die Zeit gekommen, diese Zurückhaltung nicht weiter pflegen zu müssen und berichtet engagiert, aber ohne jede sensationslüsterne „Wundersucht“ von mutmaßlichen Wundern, die Johannes Paul II. erwirkte: in Zacatecas/Mexiko, in Saint Lucia in der Karibik, in Bosnien, in den Hochburgen der Camorra und selbst im Vatikan, wo auch sein Überleben des Attentates von 1981, die eigenartige Lenkung der Kugel, als wunderbarer Eingriff gewertete werden kann. Der Autor folgt Karol Wojtyla auch in seine polnische Heimat, in seine biographische Herkunft und seine Prägung durch die Barmherzigkeitsbotschaft der von ihm im Heiligen Jahr 2000 heiliggesprochenen Mystikerin Maria Faustina Kowalska. Wojtyla wird bei Englisch lebendig als ganz von Gott und seiner Kraft ergriffener Mensch und Missionar auf dem Stuhl Petri. Er hat sich von vielen Schemen souverän gelöst und bei manchen ängstlichen Gemütern auch Irritationen verursacht. In seiner Heimatstadt Wadowice hat 1999 ein übereifriger Priester dem trotz Altersschwäche und Krankheit aufblühenden Papst das Wort abgeschnitten („der träumende Papst“, Seite 257). Aber bei welchem echten Propheten und Heiligen wäre das nicht der Fall? Andreas Englisch ist nach den allgemeinen Büchern über Wunder in der Kirche („Gottes Spuren“, 2006) und über Prophezeiungen („Wenn Gott spricht“, 2009) ein großer Wurf gelungen mit seinem Lieblingsthema Johannes Paul II. / Karol Wojtyla. Die Empathie für den großen polnischen Papst kann auf die Leserinnen und Leser dieses spannend und flüssig geschrieben Werkes überspringen (auch durch die beigefügten Fotos) und zur staunenden Erkenntnis führen: „Groß ist Gott in seinen Heiligen“. So ist seine Seligsprechung, die nicht etwa alle seine Amtshandlungen für unfehlbar erklärt, nicht nur eine Freude für die Kirche, sondern auch für Andersgläubige und die gesamte Menschheit, die 2005 so ergriffen um ihren geistlichen Freund getrauert hat. Sein Wirken als „Mauerbrecher“ gehört der historischen Vergangenheit an, als Seliger ist er auch in Zukunft „wunderbar“ präsent. Die Kirche hat sein Erbe noch lange nicht ausgeschöpft.

Stefan Hartmann, Oberhaid

 

 

Beate Beckmann-Zöller, Frauen bewegen die Päpste, Augsburg (www.sankt-ulrich-verlag.de) 2010, 255 Seiten, EUR 19,90

Wie sehr charismatische Frauen in die äußere Leitung der Kirche durch die jeweiligen Päpste mit ihren Initiativen geschichtlich eingegriffen haben ist noch immer weitgehend unbekannt. Zu sehr hat sich in letzter Zeit die Frauenfrage auf das Amtspriestertum konzentriert und wurde damit weit unter Niveau gehandelt. Die an der TU Dresden promovierte Philosophin Beate Beckmann-Zöller hat sich der Mühe unterzogen, die Einflüsse von sechs exemplarischen Frauen auf die Päpste ihrer Zeit mit lebendigen Porträts und der Wiedergabe wichtiger Briefdokumente von tiefem geistlichem Gehalt darzustellen. Von prophetischer Inspiration getrieben haben sich vor allem Hildegard von Bingen, Birgitta von Schweden und Caterina von Siena im Mittelalter wortgewaltig für die Erneuerung der Kirche (und ihres oft verlotterten Klerus) eingesetzt und im Inhaber des Petrusamtes den idealen Ansprechpartner dafür gesehen. Caterina, die später Kirchenlehrerin, Patronin Italiens und (wie auch Birgitta) Europas wurde, scheute sich nicht, für eine „Nervensäge“ gehalten zu werden, um das päpstliche Exil in Avignon zu kritisieren, da der „Christus auf Erden“ nach Rom gehöre. Vergleichbare männliche Äußerungen sind nur in Bernhard von Clairveaux’s „De consideratione“ an Papst Eugen III. überliefert. In der beginnenden Neuzeit ist es Maria Ward, die Vorkämpferin einer gleichberechtigten Frauenbildung, die den Mut fasst, sich in ihrem Anliegen „weiblicher Jesuiten“ an Päpste zu wenden, dann aber durch das kirchliche Amt tiefe Demütigungen erfahren muss. An der Wende zum 20. Jahrhundert richtet sich die seliggesprochene Oblatin Elena Guerra an Papst Leo XIII., um die Verehrung des Heiligen Geistes in der Kirche zu fördern.  Dies führte 1897 zur Enzyklika „Divinum Illud Munus“.  Die in Auschwitz ermordete große Philosophin, Konvertitin und Karmelitin Edith Stein wandte sich 1933 an Papst Pius XI. mit der Bitte, ein Wort zu den ihren jüdischen Mitmenschen drohenden Gefahren zu verkünden. Auch sie wurde bekanntlich von Papst Johannes Paul II. 1999 zur Mitpatronin Europas ernannt. Hildegard und Maria Ward dagegen erwarten immer noch ihre offizielle Kanonisierung.

Beckmann-Zöller schildert diese sechs kirchengeschichtlich bedeutsamen Korrespondenzen von heiligen Frauen mit Päpsten in historisch exakter Weise, auch wenn sie auf Bitten des Verlages zur leichteren Lesbarkeit den ausführlichen Fußnotenapparat weglassen musste. Die vorwiegend geistlichen (und nicht „kirchenpolitischen“) Anliegen der Autorinnen und damit ihre jeweilige Spiritualität werden treffend geschildert. Durch die Wiedergabe vieler Briefe an Päpste ist das Werk eine wirkliche Fundgrube und macht neugierig, was wohl in der Gegenwart eine heilig-prophetische Frau dem römischen Papst zur Erneuerung der Kirche und des Glaubens sagen würde. Gewiss wird dazugehören, „ein fruchtbares Miteinander von Männern und Frauen, von Laien und Geweihten in der Christenheit zu erreichen“ (13).

(aus: Klerusblatt, München, 6/2010, 141)